Aus gegebenen Anlass hier ein paar motivierende Worte für
alle Schüler und Studenten, deren Prüfungen nahen:
Nicola (Name geändert), ein Kommilitone von mir, sitzt
panisch in unserer Technikprüfung. „Wenn ich das nicht bestehe, war alles
Lernen umsonst!“, jammert er. Dass sein Stress extrem kontraproduktiv für die
nervliche Verfassung seiner Sitznachbarn ist, interessiert ihn wohl weniger.
Die meisten versuchen ihn zu beruhigen, aber mit Nicola ist nicht zu reden.
Anderes Beispiel: Lisa (Name geändert), ebenfalls
Kommilitonin von mir, gibt ihre BWL-Prüfung ab, packt ihre Sachen zusammen und
beginnt lauthals zu schluchzen. 5 Minuten und ein halber Liter Tränen später
hat sie sich wieder beruhigt. Ihre Freundinnen legen ihre Arme um sie. „Der
Stress ist einfach abgefallen.“, sagen sie, als man sie nach Lisas Grund zu
weinen fragt.
2 Studenten von vielen Studierenden da draußen und trotzdem
nicht untypisch.
Bei einer Befragung der TU Chemnitz unter psychologischen
Beratern von Studentenwerken aus 14 Bundesländern gaben 83 Prozent der
Befragten an, eine Tendenz zu einer allgemeinen Überlastung und psychischen
Erschöpfung bei Studenten festzustellen.
Stress entsteht aber nicht nur durch äußere Einwirkung.
Stress entsteht im Kopf. Aber wie kann es sein, dass wir uns selbst so fertig
machen, dass wir nach Prüfungen in aller Öffentlichkeit weinen?
Ich denke, ein großes Problem ist wirklich unser Alter.
Studenten, besonders im Grundstudium, werden immer jünger. Sie sind zwar
volljährig, aber noch lange nicht erwachsen. Wir haben nicht die
Lebenserfahrung, um zu wissen, was passiert wenn wir Dinge anders angehen als
sonst. Und das betrifft auch alle Schüler!
Apropos Schüler, etwas, dass ich immer öfter bei
Kommilitonen beobachte: Wer im Studium bei seinen Eltern bleibt, in der selben
Stadt studiert und sonst auch nichts tut, um selbstständiger zu werden, geht im
Kopf noch zur Schule und das ist fatal. Allein ein Auszug lässt dich emotional enorm reifen, aber diese
Reife wird den „Daheimbleibern“ einfach genommen! Da keine Veränderung im
Umfeld geschieht, bleibt die Veränderung im Kopf auch fern. Warum ich deswegen
Worte wie fatal verwende? Weil Studium nicht dasselbe wie Schule ist. An
manchen Hochschulen wird das ein wenig vergessen (z.B. bei mir :D), da sie sehr
schulisch organisiert sind. Die ersten 2 Semester des Grundstudiums sind dir ja
auch vorgegeben, ohne Fächerwahl! Und so gibt es lauter junge Menschen wie
Lisa, die zwar studieren, aber eigentlich „zur Schule gehen“ und deswegen die
gleichen Maßstäbe an ihre Leistungen setzen wie zuvor. Dass diese Maßstäbe aber
unrealistisch sind, wird außen vor gelassen.
Und so komm ich zum meinem eigentlichen Punkt: „Verschaffe
dir einen Überblick, als hättest du es erfunden!“
Im Prinzip lässt dich eine Hochschule extrem viel
durchgehen. Mancherorts hat man sogar 4 Versuche für eine Prüfung (den
mündlichen Versuch nicht eingerechnet)! 4 Versuche, um 50,5% der Punktezahl zu
bekommen! 4 Versuche! Sowas gabs in der Schule nicht.
Das System der Selbstständigkeit im Studium hat natürlich
seine Vor- und Nachteile, wobei ich ehrlich zugeben muss: Ich finds geil.
Wer verstanden hat wie der Hase läuft, kann seine Zeit
effizient nutzen und sein Leben in vollen Zügen genießen. Deine Aufgabe ist es
also die Zusammenhänge in deinem Studium zu erkennen und sie zu nutzen.
Beispiel: Betrachten wir die Noten im Grundstudium (BA).
Eine Klausur im GS macht 1/15 deiner Gesamtnote aus. 1/15! Das ist nichts. Ohne
dich näher mit der Wertung der Klausuren zu beschäftigen, hättest du nicht
gewusst wie viel diese Prüfungen ausmachen. Warum also bis zum Tod dafür lernen,
wenn sie doch nur so wenig Einfluss haben?
Mal ganz abgesehen davon, dass es Sparten gibt, in denen
dein Abschluss komplett egal ist. Hauptsache, du hast ihn.
Oder vielleicht ist er doch wichtig, aber viel wichtiger
sind deine Kompetenzen? Soziale, fachliche und auch interdisziplinäre
Fertigkeiten. Nur einen Bereich davon kann ein stringentes Studium abdecken und
der Rest? Das musst du dir selbst erarbeiten, wobei wir wieder beim System der
Selbstständigkeit angekommen sind.
Was ich damit sagen will: Wenn du einen Gesamtüberblick
hast, hast du die Möglichkeit dir deinen Rahmen selbst zu gestalten, ohne einer
Fata Morgana des perfekten Studenten hinterherjagen zu müssen und trotzdem gut
zu sein.
Um auf Nicola zurückzukommen: Ich habe ihm gesagt, dass er
ein Depp ist. „Alles was du jetzt getan hast, hast du auch für deine zukünftige
Prüfung getan, solltest du durchfallen, ergo: nichts war umsonst.“. Er hat mir
nicht zugehört. Getrieben wie ein Rennpferd, huh?
An dieser Stelle frage ich mich aber:
Warum muss ich mich an die Geschwindigkeit des Systems
halten, wenn sich das System an meine Geschwindigkeit halten kann?
Ich habe mind. 2 Versuche für eine Prüfung. Wenn ich es bei
der Ersten nicht zeitlich schaffe, weil mir ein paar Tage fehlen, dann eben bei
der Zweiten.
Natürlich gibt es ein Ende dieses Prinzips (wenn mir die
Versuche ausgehen), aber selbst dann kann ich mich krankschreiben lassen. Gut,
es gibt die Grundstudiumsklausel, aber selbst das kann umgangen werden, indem
man das Grundstudium erweitert.
Im Endeffekt: Ich und du, wir haben Zeit. Mehr als genug.
Damit auch jeder Depp mitkommt.
Wenn ich auf die letzten Wochen Lernerei zurückblicke, dann
weiß ich, dass ich sie genauso wieder gestalten würde, selbst wenn ich die
Prüfungen nicht bestehe. Warum? Weil eine Zeit in, welcher du dein Leben nicht
spüren kannst, verlorene Zeit ist und das ist die einzige Zeit, die ich mir
nicht leisten kann.
ein toller beitrag, und sehr sehr richtig :) ein hoch auf den klaren kopf!
AntwortenLöschenDankeschön!
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