Mittwoch, 29. Januar 2014

Nervennahrung



Aus gegebenen Anlass hier ein paar motivierende Worte für alle Schüler und Studenten, deren Prüfungen nahen:

Nicola (Name geändert), ein Kommilitone von mir, sitzt panisch in unserer Technikprüfung. „Wenn ich das nicht bestehe, war alles Lernen umsonst!“, jammert er. Dass sein Stress extrem kontraproduktiv für die nervliche Verfassung seiner Sitznachbarn ist, interessiert ihn wohl weniger. Die meisten versuchen ihn zu beruhigen, aber mit Nicola ist nicht zu reden.

Anderes Beispiel: Lisa (Name geändert), ebenfalls Kommilitonin von mir, gibt ihre BWL-Prüfung ab, packt ihre Sachen zusammen und beginnt lauthals zu schluchzen. 5 Minuten und ein halber Liter Tränen später hat sie sich wieder beruhigt. Ihre Freundinnen legen ihre Arme um sie. „Der Stress ist einfach abgefallen.“, sagen sie, als man sie nach Lisas Grund zu weinen fragt.

2 Studenten von vielen Studierenden da draußen und trotzdem nicht untypisch.
Bei einer Befragung der TU Chemnitz unter psychologischen Beratern von Studentenwerken aus 14 Bundesländern gaben 83 Prozent der Befragten an, eine Tendenz zu einer allgemeinen Überlastung und psychischen Erschöpfung bei Studenten festzustellen.

Stress entsteht aber nicht nur durch äußere Einwirkung. Stress entsteht im Kopf. Aber wie kann es sein, dass wir uns selbst so fertig machen, dass wir nach Prüfungen in aller Öffentlichkeit weinen?

Ich denke, ein großes Problem ist wirklich unser Alter. Studenten, besonders im Grundstudium, werden immer jünger. Sie sind zwar volljährig, aber noch lange nicht erwachsen. Wir haben nicht die Lebenserfahrung, um zu wissen, was passiert wenn wir Dinge anders angehen als sonst. Und das betrifft auch alle Schüler! 

Apropos Schüler, etwas, dass ich immer öfter bei Kommilitonen beobachte: Wer im Studium bei seinen Eltern bleibt, in der selben Stadt studiert und sonst auch nichts tut, um selbstständiger zu werden, geht im Kopf noch zur Schule und das ist fatal. Allein ein Auszug  lässt dich emotional enorm reifen, aber diese Reife wird den „Daheimbleibern“ einfach genommen! Da keine Veränderung im Umfeld geschieht, bleibt die Veränderung im Kopf auch fern. Warum ich deswegen Worte wie fatal verwende? Weil Studium nicht dasselbe wie Schule ist. An manchen Hochschulen wird das ein wenig vergessen (z.B. bei mir :D), da sie sehr schulisch organisiert sind. Die ersten 2 Semester des Grundstudiums sind dir ja auch vorgegeben, ohne Fächerwahl! Und so gibt es lauter junge Menschen wie Lisa, die zwar studieren, aber eigentlich „zur Schule gehen“ und deswegen die gleichen Maßstäbe an ihre Leistungen setzen wie zuvor. Dass diese Maßstäbe aber unrealistisch sind, wird außen vor gelassen. 

Und so komm ich zum meinem eigentlichen Punkt: „Verschaffe dir einen Überblick, als hättest du es erfunden!“

Im Prinzip lässt dich eine Hochschule extrem viel durchgehen. Mancherorts hat man sogar 4 Versuche für eine Prüfung (den mündlichen Versuch nicht eingerechnet)! 4 Versuche, um 50,5% der Punktezahl zu bekommen! 4 Versuche! Sowas gabs in der Schule nicht. 

Das System der Selbstständigkeit im Studium hat natürlich seine Vor- und Nachteile, wobei ich ehrlich zugeben muss: Ich finds geil. 

Wer verstanden hat wie der Hase läuft, kann seine Zeit effizient nutzen und sein Leben in vollen Zügen genießen. Deine Aufgabe ist es also die Zusammenhänge in deinem Studium zu erkennen und sie zu nutzen.

Beispiel: Betrachten wir die Noten im Grundstudium (BA). Eine Klausur im GS macht 1/15 deiner Gesamtnote aus. 1/15! Das ist nichts. Ohne dich näher mit der Wertung der Klausuren zu beschäftigen, hättest du nicht gewusst wie viel diese Prüfungen ausmachen. Warum also bis zum Tod dafür lernen, wenn sie doch nur so wenig Einfluss haben?

Mal ganz abgesehen davon, dass es Sparten gibt, in denen dein Abschluss komplett egal ist. Hauptsache, du hast ihn. 

Oder vielleicht ist er doch wichtig, aber viel wichtiger sind deine Kompetenzen? Soziale, fachliche und auch interdisziplinäre Fertigkeiten. Nur einen Bereich davon kann ein stringentes Studium abdecken und der Rest? Das musst du dir selbst erarbeiten, wobei wir wieder beim System der Selbstständigkeit angekommen sind.

Was ich damit sagen will: Wenn du einen Gesamtüberblick hast, hast du die Möglichkeit dir deinen Rahmen selbst zu gestalten, ohne einer Fata Morgana des perfekten Studenten hinterherjagen zu müssen und trotzdem gut zu sein.

Um auf Nicola zurückzukommen: Ich habe ihm gesagt, dass er ein Depp ist. „Alles was du jetzt getan hast, hast du auch für deine zukünftige Prüfung getan, solltest du durchfallen, ergo: nichts war umsonst.“. Er hat mir nicht zugehört. Getrieben wie ein Rennpferd, huh?

An dieser Stelle frage ich mich aber:
Warum muss ich mich an die Geschwindigkeit des Systems halten, wenn sich das System an meine Geschwindigkeit halten kann? 

Ich habe mind. 2 Versuche für eine Prüfung. Wenn ich es bei der Ersten nicht zeitlich schaffe, weil mir ein paar Tage fehlen, dann eben bei der Zweiten. 

Natürlich gibt es ein Ende dieses Prinzips (wenn mir die Versuche ausgehen), aber selbst dann kann ich mich krankschreiben lassen. Gut, es gibt die Grundstudiumsklausel, aber selbst das kann umgangen werden, indem man das Grundstudium erweitert. 

Im Endeffekt: Ich und du, wir haben Zeit. Mehr als genug. Damit auch jeder Depp mitkommt.

Wenn ich auf die letzten Wochen Lernerei zurückblicke, dann weiß ich, dass ich sie genauso wieder gestalten würde, selbst wenn ich die Prüfungen nicht bestehe. Warum? Weil eine Zeit in, welcher du dein Leben nicht spüren kannst, verlorene Zeit ist und das ist die einzige Zeit, die ich mir nicht leisten kann.

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