Eva hat sich Urlaub genommen. Sie ist grad eh nutzlos, weil
sie mir beim Lernen nur im Weg steht oder mich ablenkt. Nachdem sie 3 Tage
nicht im Betrieb war und sich über meine mangelnde Aufmerksamkeit echauffiert
hat, verkroch sie sich in die nächste Ecke und spricht nicht mehr mit mir.
Auch gut. Brauch sie ja nich.
Die Skripte sind ausgedruckt, damit ich dumme Kommentare und
wütende „Ich-versteh-das-nicht“-Blitze auf ihnen hinterlassen kann.
Habe mir extra nochmal ein paar Kullis aus dem Studienbüro
geklaut, sollte mir ja die Tinte ausgehen und mein Vorrat an Süßigkeiten ist
auch wieder in seiner ganzen Pracht zu sehen.
Alles gut. Naja, fast.
Motivation zum Lernen war noch nie meine große Stärke. Ich
kann zwar gut „Nein!“ zu Einladungen sagen, die mich von meiner heiligen Arbeit
abhalten könnten, aber zum Arbeiten selbst komm ich leider selten.
Stattdessen mach ich mir Listen mit Dingen, die ich NACH den
Prüfungen tun könnte oder möchte oder räum mal wieder auf oder versuche ein
neues Rezept oder….
Relativ schnell zeichnet sich dann ab, dass ich mein
optimales Lernpensum nicht erfüllen kann. 2 Tage später merke ich, dass selbst
die abgemagerte Version vom optimalen Pensum nicht mehr möglich ist. Kurz
darauf sehe ich ein, dass auch ein durchschnittliches Pensum unerreichbar
scheint, bis ich letztendlich mit dem minimalsten Aufwand, versuche eine
fantastische Note zu bekommen (d.h. zu bestehen).
An diesem Punkt angekommen, gibt es für die meisten keine Ruhe
mehr.
Ironischer Weise kann man ab hier ähnliche Emotionen wie die
5 Phasen des Sterbens nach Elisabeth Kübler-Ross beobachten:
1. Nichtwahrhabenwollen und Isolierung (Denial)
Du weißt, du schaffst es nicht mehr, aber redest dir ein, doch noch alles hinzubekommen. Mit viel Aufwand geht das schon… Meeep! Falsch gedacht! Um deine Illusion von einem perfekten Lernprozess wahr machen zu können, sagst du sämtliche Verabredungen und Versuchungen ab. Allein das, versorgt dich schon mit einem gewissen Funken von Befriedigung. Dies ist vermutlich der längste Prozess, da er bis kurz vor der Prüfung anhält.
2. Zorn (Anger)
Alles klar: Die Welt ist scheiße. Warum
muss ich den Kack überhaupt machen? Ich brauch das NIE WIEDER! NIE! Wenn die
dumme Kuh von Lehrerin/Dozentin nicht so viel Stoff noch zum Schluß gemacht
hätte, würde ich suuuuper durchkommen, aber neiiiin! Alles ihre Schuld! (Anm.
d. R.: sie könnte auch er sein! Wir sind ja schließlich gleichberechtigt.)
3. Verhandeln (Bargaining)
Wir schlagen einer höheren Macht oder
jemanden, den wir als solche sehen, einen Deal vor. „Hey, [insert godly being
here], wenn du mich am Tag der Prüfung ohnmächtig umfallen lässt/einen
Todesschneesturm beschwörst und alle am Teilnehmen der Prüfung hinderst/mir
mehr Zeit gibst, dann bin ich dir auf ewig dankbar!“ und ähnliches. Da wir
recht schnell merken, dass dies kein sonderlich realistischer Weg ist, geht man
recht schnell zu Punkt 4 über.
4. Depression
„Für wen mach ich das hier eigentlich? Das
hat doch alles keinen Sinn! Ich werde niemals alles rechtzeitig erledigen! Ist
mir doch alles egal! Scheiß auf die Prüfung! Scheiß auf Alles! Ich verzieh mich
in mein Bett!“ In der vierten Phase wird man meist aus Energiemangel von seinen
Emotionen komplett überrollt und endet als recht kraftloses Nervenbündel. Man
ist nahe an der Akzeptanz, aber die Trauer um die eigene Dummheit steht noch im
Weg. Besser ist es also, sich kurz zurückzuziehen und ein wenig die „Depression“
auszukosten. Manchmal muss man sich einfach selbst bemitleiden.
5. Akzeptanz (Acceptance)
Ok, man hats versaut. Noch 13 Stunden bis zur
Prüfung? Schlafen lassen wir also sein. Mein Gott, passiert. Bin ja selbst
schuld. Wenn man die Akzeptanzphase erreicht, bedeutet das meist, dass die
Konzentration sich auf ein Maximum steigert. Man hat nach all dem emotionalen
Chaos endlich einen klaren Kopf und sieht sowohl seinen Fehler, als auch
Schwächen. Leider akzeptiert man seine Faulheit erst recht spät und so kann das
Potenzial nie vollkommen ausgenutzt werden, da sie u.a. nur bis zur
Prüfungsabgabe anhält.
Ok, ok, ich weiß, Lernen mit Sterben zu vergleichen ist ein wenig obskur, aber mir gefiel die Metapher. Amüsant ist es trotzdem. So viel also zu meinem Lernalltag. ;P
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